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Bahrain - Islam, wie er nicht in der Zeitung steht

Bahrain, Naher Osten - bereist: Mai 2009

Am ersten Arbeitstag steht ein Workshop an zu einem Lieblingsthema.
 
18 Zuhörer. 6 davon als Scheichs verkleidet. In der Mitte am Kopf des Tisches der Wichtigste von ihnen. Auch sie haben den Arabien Knigge gelesen.
Der Tag verläuft sehr angenehm. Wir kommen mit dem Thema weiter, sie sind interessiert, stellen gute Fragen und die in einem größtenteils gut verständlichem Englisch. Es gibt viel zu lachen. Anrede ist per Vornamen (was einfach ist, viele heißen Mohammed oder Hassan. Kompliziert wird es bei den langen Nachnamen, die einer Ahnengalerie gleichkommt). Dresscode ist offenes Hemd, nur die Scheichs stechen mit ihrem Blütenweiß heraus. 
Ich erzähle dies abends einem Kollegen, der hier arbeitet. Er meint: Sie sind so, wie wir es dank der Medien gar nicht erwarten.
Zum Mittagessen gab es allerlei arabische, indische und asiatische Leckereien. An meinem 4-er Tischen saßen 4 Nationen und 4 Religionen. Ein Katholik aus Malaysia, ein Hindu aus Indien, ein Moslem aus Saudi Arabien, ein deutscher Protestant.
 
Shannon, die Maschienengewehrbedienerin, hatte erzählt, dass ein US Flugzeugträger in Bahrain parkt.  Das klingt viel spannender als der Sightseeing-Tipp von dem Rezeptionisten: die Malls. Malls scheinen hier der Oberhammer zu sein.
Ein Taxifahrer bringt mich zum Hafen. Mit etwas Entfernung kann ich das Riesenschiff sehen. Mit mehrfachen Nachfragen bei sehr netten Securities gelingt es mir nicht näher ranzukommen. Ich rufe Shannon an. Heute wurden Besuche geblockt, sie könne mich mit rein nehmen, aber sie muss noch länger arbeiten. Morgen würd es klappen, sie kann mich gegen 16:00 am Hotel abholen. Perfekt.
Ich rechne mir eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 20 Prozent für dieses Angebot ein…
 
Mein Taxifahrer erzählt mir, dass er Tourist-Consultant sei und drückt mir eine Visitenkarte mit diesem Titel in die Hand. Mann, hab ich ein Glück. Ich lasse mich willenlos nach zu wenig Schlaf und 8 Stunden Workshop mit 18 Saudis durch Al Manama, der Hauptstadt, kutschieren. Ein späktakulär-loses Fort, einen Souk (Markt) aus lauter Geschäften und ohne Charme. Dafür jedoch toll beleuchtete Wolkenkratzer mit außergewöhnlichem Design. Anscheinend können sie sich die besten Architekten leisten, ihnen fehlt es nur die eigene Stadt hübsch hinzukriegen. Mein Berater führt mich in einen Süßigkeitenladen. Ich solle ruhig allen Freunden etwas mitbringen, sie können hier alles verpacken und zeigt auf Pakete, mit denen man Fernseher nach Deutschland transportieren kann. Dies halte ich für etwas überdiminsioniert, zumal die  Süßigkeiten nicht unbedingt mein Geschmack sind, meistens zu süß und klebrig. Ich bringe lieber eine Wasserflasche mit frischen Mangosaft mit von dem Saftladen neben meinem Hotel.
Die Fahrt geht weiter, alles mit ausgiebiger Beratung was ich links und rechts sehe: das alte Polizeihaus, die Post, bla.
Beim nächsten Souk beende ich den Beratungsauftrag, zahle und ziehe alleine weiter, lasse mich Treiben kreuz und quer durch die engen Gassen. Copy Watches, copy Fußball Trikots, bunte Billigklamotten, Geschäfte mit einer riesigen Auswahl an schwarzen Gewändern, Billigküchenzubehör, Nippes und Kram versuchen mir erfolglos Kaufimpulse zu geben.
 
Bei einem Teestand in einem schmalen Durchgang bleibe ich hocken, trinke süßen Tee und beobachte die Männergesellschaft. Frauen mögen wohl kein Teetrinken...
Viele davon sind als Scheichs verkleidet. Einige sitzen mit einem Islamischen Rosenkranz. Sicherlich bringt es sie näher zu Allah, vielleicht hält es aber auch einfach vom Denken ab.
 
Auch gibt es keine einzige Verkäuferin in den Geschäften – alles Männer.
 
Mein Abendessen, frischer Mangosaft und Fischcurry, in einer kleinen indischen Bude mit dem tollen Namen „top most restaurant“, mit 4 Tischen und 12 neugierig guckenden Arabern und Indern, findet auch in Männergesellschaft statt. Frauen mögen anscheinend auch nicht Abendessen.
Der Mangosaft war eine tolle Idee. Denn das Curry ist brutal scharf.
 
Ich wundere mich über eine Thai-Massage-Bude. Sowas in diesem Land? Ich geh rein und muss grinsen - auch diese Dienstleistung wird von Männern durchgeführt. Einer war eine verkappte Transe - immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
 
Ich genieße es mich treiben zu lassen durch eine anderen Welt.
Die Suche nach einem Taxi zum Hotel gestaltet sich etwas schwierig und so treibe ich weiter. Direkt auf ein quadratisches Gebäude zu mit offenen Toren. Ein paar ältere Scheichs sitzen davor. Drinnen hängen viele Stoffe an den Wänden mit arabischer Schrift.
Es sieht anders aus als die letzte Moschee, viel bunter. Ich frage, ob ich reingehen dürfe. „Aber Selbstverständlich“ werde ich sehr freundlich begrüßt. Nadal erklärt mir, dass dies keine Moschee sei, sondern ein religiöser Raum von dieser Gegend. Man trifft sich, trinkt Tee zusammen, entspannt, unterhält sich über Alles und Mögliche. Ringsrum an der Wand sind Sitzkissen. Ich werde von einem älteren Mann eingeladen mich zu ihm zu setzen. Mir wird Tee gereicht und Chips. Nadal setzt sich zu mir und wir unterhalten uns.
Er ist verheiratet und hat 2 Söhne. Wo denn seine Frau sei und warum sie nicht hier ist, frage ich ihn, nachdem wir eine ganze Weile geplaudert hatten. Sie ist daheim bei den Kindern, Frauen treffen sich untereinander, Männer auch. Wie er denn seine Frau kennengelernt hat, wenn man sich kaum über den Weg läuft? Sie war eine Freundin seiner Schwester, dadurch hatte er sie manchmal gesehen. Sie haben es hinbekommen sich mal zu treffen oder er hat sie auf dem Heimweg abgepasst. Sie arbeiten also mit Tricks. Dann hat er sie nach ein paar Monaten gefragt, ob sie ihn heiraten will, die Eltern haben drüber beratschlagt und schon waren sie es. Später fällt mir die spannende Frage ein, wie man ein Mädel nett findet, wenn man sie nur verschleiert sieht? Das muss ich wohl beim nächsten Besuch fragen.
Kurz danach sind wir beim Thema Islam, Extremisten, Verschleierung. Und schnell haben wir die Lösung gefunden. Er formulierte sie so. „Wie sollen Menschen, die den ganzen Tag in der Ecke sitzen und den Koran auswendig lernen, auch etwas anderes denken, wenn sie nichts anderes wissen? Bildung fehlt, das ist es was sie brauchen. Sehen, dass es auch anders geht. Und das es gemeinsam geht, auch mit unterschiedlichen religiösen Vorstellungen“. Auf dem Rückflug werde ich im Spiegel einen Artikel lesen, dass neu entstandene Mädchenschulen in Afghanistan geschlossen wurden wegen massiver Bedrohung durch die Taliban.
Das Gemeinsame der Religionen zeigt er mir direkt und führt mich eine Stunde lang durch seine Gegend. Zum Hindu-Tempel gleich in der Nähe einer Moschee und zu einer katholischen Kirche.
„Bahrain und seine Menschen sind offen. Der Wandel ist spürbar. In Kuwait sind 4 Frauen in die Regierung gewählt worden, eine ohne Kopftuch.“
Wow. Und das in Kuwait.
„Die Menschen wollen den Wandel. Immer mehr Frauen fahren Auto, immer mehr legen den Schleier ab. In Saudi Arabien noch nicht. Da ändert es sich viel langsamer. Noch. Mal sehen, wie es weitergeht.“ Entweder will er sich gerade als Musterschüler präsentieren und er gibt nicht ganz die Gedanken-Lage der Allgemeinheit wieder, oder es passiert hier wirklich. In 10 Jahren wissen wir mehr…
 
Wie sind uns einig, dass man ein Land nicht mit Bomben bewerfen und ihnen einfach sagen kann, dass sie jetzt frei sind, alles besser ist und sie nun eine Demokratie haben. Der Wandel muss von den Menschen kommen, sie müssen es wollen. Die Wiedervereinigung von Deutschland ist dafür ein tolles Beispiel. Immer mehr Menschen sind auf die Straßen gegangen und haben die Botschaften gestürmt bis die Einsperr-Regierung aufgegeben hat.
Nach einer längeren Wanderung durch die Stadt kommen wir wieder in dem Haus an. Ich werde zu noch mehr Tee und noch mehr Chips und noch mehr Sitzen eingeladen. Nadal wird angequatscht und setzt sich woanders hin, ich sitze aber nicht lange alleine und habe einen neuen Gesprächspartner. Mit ihm kann ich zwar nicht so offen über all die spannenden Themen sprechen, die mit Nadal so einfach waren, aber wir finden genügend andere. Er erzählt mir von der Hilfsbereitschaft und der Freundlichkeit der Bahrainer. Ich könne an jede Tür klopfen, mir würde geholfen bei Problemen. Egal welche Religion ich hätte.
Nadal winkt mir immer wieder freundlich zu. Kurze Zeit später habe ich einen neuen rechten Nachbar, den ich nur leider kaum verstehe. Ich frage, ob ich ein Foto machen dürfte. „Selbstverständlich“ – und schon beginnt eine Fotosession. Ich bin Nadal. Ich mit jemand anderem. Ich mit noch jemand anderem. Ich mit Kopftuch.
 
Nach noch mehr Tee leert sich langsam der Raum. Nadal bietet mir an mich ins Hotel zu bringen. Ich werde lange verabschiedet von meinen Nachbarn.
„Mein Haus ist Dein Haus. Mein Tisch ist Dein Tisch.“ Wenn ich wieder in Bahrain bin, dann bin ich bei ihnen herzlich willkommen. Natürlich auch mit Steffi! Nadal bringt mich zum Hotel. Der eMail Austausch ist von Herzen gemeint.
Ich bin gespannt, wann sich unsere Wege wieder kreuzen.
 
Hätte Bush doch nur mal mit diesen Menschen gesprochen vor all seinen wilden Angriffen - vielleicht hätten sie bessere Ideen gefunden als einfach nur Bomben zu werfen.

 

 

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